Wir spüren heute auf vielfältige Weise die Dringlichkeit, auf den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust zu reagieren. Heute sind sie nicht mehr nur Probleme, die wir abwenden müssen, sondern Tatsachen, mit denen wir einen Umgang suchen. Wir erleben sie als Hitze und als Überschwemmungen, in lebensarmen Böden, die sich ohne Kunstdünger und Pestizide nicht mehr zum Anbau eignen, oder als Vögel, die mangels Insekten verhungern. Angesichts dieser Herausforderungen wird der Ruf nach mehr Leadership immer wieder laut. Doch wie könnte Leadership angesichts dieser komplexen Herausforderungen aussehen?
Was erwarten wir von Leadern?
Um Antworten darauf zu finden, lohnt es sich darüber nachzudenken, was wir eigentlich von Leadern erwarten. Sind es rasche Lösungsvorschläge für dringende Probleme? Oder die Vermittlung von Sicherheit und motivierende Worte? Vielleicht auch innovative Strategien, die fortschrittliche Ideen in die Realität bringen? Das Überzeugen von politischen Mehrheiten? All diesen Möglichkeiten gemeinsam ist die Annahme, dass Leader unsere Welt gestalten oder zumindest mitprägen und Wirkung entfalten.
Was wirkt in der Welt?
Doch wie und wo entsteht diese Wirkung? Und wer wirkt da genau auf wen? Wenn wir an Klimawandel und Biodiversitätsverlust denken, erscheint uns die Komplexität der Herausforderung erdrückend und einfach mit "gutem Leadership" kaum lösbar. In seinem Buch "Arten des Lebendigseins" beschreibt Baptiste Morizot das Zusammenspiel von Akteuren auf einem ehemaligen Militärareal: Schäfer*innen, Schafe, die Weide und ihr geologischer Untergrund sowie die Wölfe werden alle zu Sympathieträgern. Es wird sofort klar, dass es keine einfachen Lösungen gibt, um die Konflikte zwischen ihnen zu lösen – und auch keine klaren Leader, die die Situation prägen – abgesehen von der Eliminierung einzelner Akteurgruppen. Die Wirkung aller Handlungen in diesem Areal entsteht im Zusammenspiel der menschlichen und "anders-als-menschlichen" Akteure. Wirkung ist also kein direktes Produkt von individueller oder kollektiver Aktion, sie ist auch nicht dem Lebendigen und schon gar nicht den Menschen vorbehalten. Was aber klar wird: starke Beziehungen zwischen den Akteuren führen zu einem gemeinsamem, balancierten und nachhaltigen Miteinander-Wirken.
Leadership neu denken
Vermutlich müssen wir also Leadership neu denken: Leadership in einem komplexen Umfeld könnte heissen, Beziehungen zu stärken, damit sich aus den unterschiedlichen Interessensvertretenden eine Gemeinschaft bildet, die sich um etwas, das für alle bedeutsam ist, kümmern möchte. Sich kümmern heisst nicht, dass es keine Konflikte gibt; sich kümmern heisst, dass Verbindungen gepflegt werden, um Konflikte rücksichtsvoll zu lösen. Im Beispiel von Morizot ist es den menschlichen und «anders-als-menschlichen» Akteure gemeinsam, dass für sie das ehemalige Militärareal wertvoll ist.
Beziehungen stärken
Eine nachhaltige Wirkung von Leadership könnte sich am Erhalt der Entwicklungsmöglichkeiten ausrichten, daran, wie viele Optionen wir zukünftigen Generationen offenhalten oder sogar schaffen können. Gerade in der Politik erscheint die Welt meist als Fülle von binären Entscheiden, die es mit einem «Ja» oder «Nein» zu treffen gilt. Solche Entscheide bilden aber nur selten die komplexen Abhängigkeiten unserer Gesellschaft ab und spalten sie, da mindestens eine Interessensgruppe letztlich als Verliererin dasteht. Die Suche nach tragfähigen Antworten auf die grossen Herausforderungen beginnt viel früher: da, wo wir als Teil eines lebendigen Gefüges mitwirken und uns auf vielfältige Perspektiven einlassen. Die Natur kann uns dabei auch Vorbild sein, als eine Art und Weise der Organisation, die lebendige Entwicklung ermöglicht.
Zur Partizipation einladen
In partizipativen Prozessen finden Akteurgemeinschaften nicht nur rücksichtsvolle Lösungen, sie stärken auch die Verbindungen untereinander und so trägt der Prozess weit über seine eigentliche Dauer zum erfolgreichen "Kümmern" bei. Jeder Akteur kann dabei Verantwortung für seine Beziehungen übernehmen, so dass tragfähige Lösungen ermöglicht werden. Leadership zeigt sich darin, dass Zeit- und Gedankenräume geöffnet, andere Akteure zur Mit-Wirkung eingeladen und Konflikte angesprochen werden, so dass sie praxisnah, gemeinsam und rücksichtsvoll gelöst werden können. Dies funktioniert nur, wenn zu Beginn der Rahmen, die Bedingungen und die Ziele der Partizipation klar analysiert und definiert werden. Sie dürfen sich nicht auf blosse Kommunikation oder Konsultation beschränken.
Möchten auch Sie sich mit ihrem Leadership auseinandersetzen? Arbeiten sie mit unterschiedlichen Akteurgruppen und möchten Sie die Welt mitprägen? Unsere Kurse zum Thema Leadership und Partizipation geben wertvolle Inputs und öffnen Raum für spannende Diskussionen.
- Leadership in der Transformation: vier einzeln buchbare Module in und mit der Natur
- Transformatives Leadership und Nachhaltigkeit: 8-tägige Weiterbildung mit Zertifikat
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Leadership im Zusammenspiel